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Mittwoch, 18. Mai 2011, 13:13

Der Bauzaun

Ich habe diese kleine Geschichte schon mal im alten Forum gepostet. Dachte mir, die ist so zeitlos, dass ich sie einfach nochmal allen hier zum lesen, fühlen und denken schenken möchte:



Die Kugel schwang hin und her, trudelte,
während die Wand in sich zusammenfiel und mit Getöse zu einem Haufen aus Schutt
verwandelt wurde. Er stand da, hinter dem braun bebretterten Bauzaun, so wie er
es schon in seiner Kindheit getan hatte, an der selben Stelle, fasziniert von
den Baumschinen, dem Krach, der hinter dem Zaun hervorquoll. Er erinnerte sich,
wie die Maurer Stein für Stein, gebunden in Mörtel, aufschichteten und sich
nach und nach hohe, dicke Mauern daraus auftürmten. Die Kugel schwang aus und
rammte von neuem mit unerbitterlicher Gewalt die Wand; Risse zuckten für einen
winzigen Augenblick über das Mauerwerk und wieder fielen die Steine zu einem
immer höher wachsenden Schutthaufen zusammen.


Während der letzten Schulstunde hatte ercunruhig dem Ende entgegen gefiebert,
war auf seiner Schulbank hin und her gerutscht in der Erwartung, endlich wieder
durch den Bauzaun schauen zu können und dem steten Schichten der Maurer
zuzusehen. Damals ist es nicht so wie heute gewesen, kein Haus wurde in Formen
mit Beton in kürzester Zeit gegossen, aus dem Boden gestampft. Damals ist jeder
Stein noch angefasst worden, vom Maurer sorgsam in den Mörtel gebettet und
nach festen Regeln beklopft und ausgerichtet; solange bis der Maurer mit seiner
Arbeit zufrieden war.

Die Staubwolke machte sich vor dem Loch, durch
welches er blickte, breit und verdeckte für einen kurzen langen Moment seine
Sicht. Als Kind hatte er immer davon geträumt, in seinem Haus, das mit ihm
gewachsen war, seine Zeit zu verbringen, in ihm zu arbeiten – egal was, zu
wohnen, hauptsache, er konnte mit seinem Haus zusammen sein. Ein Bulldozer
schob den Haufen zusammen, während ein Bagger damit beschäftigt war, emsig,
Schaufel um Schaufel auf Lastwagen zu laden, die Steine irgendwohin abzutransportieren.
Nach dem er seinen Beruf in seinem Haus gelernt hatte, wohnte er dort, oben,
ganz oben mit dem Blick über die Stadt. Er verbrachte jeden Tag in ihm, lebte
in ihm, kannte es von ganz unten her. Er wischte sich die vom Staub sämig
gewordenen Tränen von den Wangen und beobachtete die Bewegungen jenseits der
braunen Bretterwand durch das Loch, welches durch ein zersplittertes Brett
entstanden sein musste.


Plötzlich, unerwartet ist der Brief da
gewesen. Er hatte es nicht verstanden, all’ diese Sätze, diesen Wust an
Ausdrücken und Formulierungen. Warum eine andere Wohnung? Er hatte doch seine,
in seinem Haus, er nur ein paar Jahre älter, aber gleich stolz. Seine Hände
schwitzten, obwohl sein Atem weißgrau, ähnlich dem Staub, der sich mit seinen Tränen
vermischte, vor Kälte in der Luft hing.

Sicher hatte sein Haus auch schon bessere
Zeiten gesehen, Zeiten in denen sich die größten Künstler die Klinke in die
Hand geben und ihn mit seinem Vornamen grüßten, wenn sie durch den Bühneneingang
an der Pforte vorbei gingen, denn er hatte für alle und jeden immer ein offenes
Ohr gehabt. Die Kugel riss mit aller Wucht das Bühnenportal nieder und der rote
Samtvorhang flatterte, ja schwebte fast, durch die kalte Herbstluft und legte
sich, die Formen des Schutts nachzeichnend, wie ein Leichentuch über die
Trümmer. Er hatte kleine Perlen auf der Stirn, seine Hand schloss sich um die
splittrige Kante des Loches so fest, dass seine Adern an den Schläfen
anschwollen, blau, dick und im Takt des schlagenden Herzens pulsierend.


Erst letzte Woche waren sie gekommen, hatten
seine Möbel verladen und ihn in eine moderne Wohnanlage mit Heizung, Fernseher
und Speisesaal gebracht in dessen Zentrum eine Begegnungsstätte lag, wo für
Unterhaltung gesorgt wurde; wenn man es annahm. Wer brachte jetzt wohl die
Kohlen zum Heizen nach oben, hatte er sich gefragt.


Die geballte Energie, die von der Kugel
ausging und von der Maschine, an welcher sie hing, wurde an der letzten Wand
entladen, die noch einmal kurz erbebte, zitterte wie ein letztes Aufbäumen und
fast lautlos in sich zusammenfiel. Ihm wurde heiß, sein Blick schwebte über dem
Platz und da stand es in strahlendem Licht, stolz, prächtig. Seine Beine gaben
unter dem Gewicht seines Körpers nach.





JJ 05/1995
Signatur von »DerNorweger« Ich bin im Nebel, doch wenn ich hervortrete bin ich das unlöschbare Feuer.

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Dienstag, 24. Mai 2011, 16:01

Dankeschön :-)
Signatur von »Lady.Birgit«
~Vor den Problemen wegzulaufen, zählt nicht als Bewegungsübung ~


Wann, wenn nicht jetzt?
Wer, wenn nicht ich?


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