Für mich besteht das mit dem Schlechten Gewissen aus mehreren Instanzen und vielen Betrachtungswinkeln.
Zuerst einmal nur die Person berührend, nämlich verbunden mit Selbstvorwürfen, mangelndem Selbstwertgefühl, das sich als schlechtes Gewissen etabliert, weil es eben dem eigenen Selbstbild, den persönlichen Anforderungen an das Selbst widerspricht was man getan und/oder gesagt hat.
Ein schlechtes Gewissen ist also primär ein subjektiv schlechtes Gefühl.
Meiner Beobachtung nach entsteht der Einsatz von "schlechtem Gewissen" im Aussen erst durch weitere Faktoren.
- Das Gewissen, das Selbstbild entspricht häufig nicht in Gänze der Person, sondern wurde - zumindest teilweise - von Außen etabliert. Das ist dieses Ding mit den Eltern (später soziales Umfeld, Gesellschaft), die erwarten dass man sich so oder so verhalten soll, wenn nicht dann ist das böse.
- Im Laufe des Lebens besteht die Chance das Selbstbild bewusst zu überarbeiten und zu dem zu stehen was und wer man ist.
- Je weniger das geschieht, desto häufiger kollidiert das Selbstbild und die entsprechende Selbstdarstellung mit den eigenen Handlungen. Der Konflikt mit der Umwelt ist vorprogrammiert.
- Die wenigsten Menschen reflektieren sich so weit, dass sie die entstehenden Konflikten als in sich selbst entstanden erkennen können. Das beginnt schon im Kindesalter, wo jedes Kind intuitiv die Eltern besänftigen muss.
- Die Darstellung von schlechtem Gewissen ist also dann erstmal eine Beschwichtigungsgeste. "Ja ich war böse, aber schau ich leide ganz doll deswegen, bitte schlag mich nicht"
- Mit der Zeit erwächst dabei eine Art Rollenspiel, in der die beteiligten Partner Vorwürfe und schlechtes Gewissen zur gegenseitigen Manipulation nutzen.
Bei Uschis Beispiel ist es daher völlig logisch, dass keine Wiedergutmachung oder Verhaltensänderung stattfindet, denn es gibt ja kein bewusst reflektiertes Zu-Sich-nehmen des unpassenden Verhaltens, sondern lediglich ein Abwehren der Vorwürfe/Beschwichtigen.
Nur weil ein Mensch weiß, dass es falsch ist einen anderen Menschen zu töten, muss das ja noch lange nichts mit seinem persönlichen Gewissen zu tun haben. Das ist nur eine gesetzliche Vorgabe der Gesellschaft.
Moral, Ethik, Intuition, Lebenserfahrung, formen das Gewissen. Es entsteht aber nicht so zielgerichtet wie die Programmierung einer Software. Nur weil die Eltern etwas vorleben, oder das Gesetz etwas anweist, ist es noch lange nicht Teil des persönlichen Gewissens.
"Ich habe Dir doch aber beigebracht, dass Du rücksichtvoll sein sollst", "Als Frau musst Du doch doch verzeihen können" "Man macht das nicht" "Das ist verboten"
Ja warum zum Henker sollte das Alles etwas mit uns und unserem Gewissen zu tun haben?
Und trotzdem wird uns dauernd gesagt dass das so zu sein hat.
Alle diese Regeln und Vorgaben sind aus dem sozialen Miteinander entstanden. Sie sollen jeden Einzelnen und die Gemeinschaft als Ganzes vor Schaden bewahren und eine gemeinsam wirkende Ethik/Moral installieren. Sie ist kulturell bestimmt und ganz sicher in Zentraleuropa eine Andere als in Südamerika. So wie sie innerhalb Zentraleuropas in unterschiedlichen Ländern, anderen Bevölkerungsgruppen, und auch Schichten wieder anders sind.
"Du sollst nicht töten" gilt weltweit bei den meisten Menschen. Aber eben nicht allen.
Das eingeforderte Gewissen für eine Frau, sie habe unbedingt und unter allen Umständen ihre Kinder zu lieben. Was aber wenn nicht? Oder was wenn die Gesellschaft noch vorschreibt wie genau diese Liebe auszusehen hat? Das ist oft unerfüllbar. Viele Mütter und Väter bei uns im Land sind von dieser Anforderung komplett überfordert, weil sie ständig ein schlechtes Gewissen haben. Für mich eine der einfachsten Erklärungen für die völlig überdrehten Helikopter-Eltern.
In unserem Land erfolgt derzeit die Steuerung einer kompletten Bevölkerungsschicht über das schlechte Gewissen. Indem "Sozialschmarotzern" ohne regelmäßiges Erwerbseinkommen ein Gewissen etabliert wird, dass ihren Selbstwert an eine Arbeitstätigkeit bindet.
Birgit