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Freitag, 25. November 2022, 11:25

Der Klang der Bäume

Habt ihr euch je gefragt, weshalb die Blätter der Linde herzförmig sind?

[Die Finger glitten zart über die Saiten der Harfe. Die Töne tanzten im Licht und schwangen sich dann vogelgleich zu dem hellen Blätterdach hinauf.]

Kommt ruhig näher heran und macht es euch bequem.

[An den Stamm gelehnt, ein Bein locker angewinkelt über das andere, ausgestreckte gelegt, bildete sich ein warmes Dreieck, in das sich das Instrument anschmiegen konnte.]

In einer Zeit, als die Menschen noch ganz jung auf der Erde waren, kannten sie noch nicht die Sprache der Bäume. Sie hörten das Rauschen des Windes in den Blättern, das Knarren der großen Äste und, wenn sie ganz aufmerksam waren, meinten sie auch, das zarte Fliessen in den Adern zu vernehmen. Doch in ihnen gab es nichts, das mit der Melodie der Bäume schwingen konnte. Und so gab es kein Erkennen und kein Verstehen.

[Die Finger zupften ein paar melancholisch klingende Akkorde während sie langsam, scheinbar träge über die Saiten wanderten]

Manchen Bäumen war es gerade Recht, dass die Menschen sie nicht verstehen konnten. Diese Wesen waren sowieso nur kurzlebig. Was hätte es für einen Nutzen, sich mit ihnen zu unterhalten.

[Die Töne, welche der Harfe nun entlockt wurden, klangen hart und fremdartig, wie sie sich stakkatoartig auftürmten]

Andere Bäume fanden, diese Menschen seien doch interessant. Und was könnten sie schon dafür, nicht hören und nicht kommunizieren zu können? Ihre gesamte Lebensspanne entspräche ja dem eines gerade erst aufrecht ragenden Baum nach der Schößlingszeit.

[Nun hüpften die Finger schneller über die Saiten und die Töne folgten aufeinander wie die Perlen auf einer Schnur]

Besonders die langen, schlanken Birken und Fichten unterhielten sich lebhaft miteinander über die Menschen. Sie gehörten zu den Bäumen, die als schnellwüchsig bezeichnet werden können. So meinten sie auch selbst, näher an der Zeitwahrnehmung der Menschen zu sein als die langsamer wachsenden Bäume. Doch auch wenn sie versuchten, besonders schnell zu sprechen, eine Unterhaltung mit den Menschen kam nie zustande.

[Die höchsten Töne erklangen nun in einem Tremolo, gingen so schnell ineinander über, dass sie fast wie das Sirren von Insekten an heissen Sommertagen klangen.]

Zu einer solchen Unterhaltung gesellte sich irgendwann die Linde hinzu. Sie hatte zugehört, als sich eines Tages ein Mensch im Schatten ihrer Krone an den Stamm gelehnt und dann etwas Erstaunliches getan hatte. Etwas, von dem die Bäume nicht gewusst hatten, dass es die Menschen konnten. Dieser Mensch summte! Und was noch erstaunlicher war, es war der Linde gelungen, so zu summen, dass harmonische Melodien entstanden.

[Zwei Tonfolgen erklangen nun gemeinsam, näherten sich an und entfernten sich wieder voneinander. Einzelne Töne überschnitten sich bereits in wunderbaren Akkorden.]

Die Linde freute sich jeden Tag darauf, diesen Menschen wiederzusehen. Mit jedem gemeinsamen Musizieren näherten sie sich an, spürten die Veränderung in der Melodie des anderen und passten ihre eigenen Töne an. Und so entwickelte sich nach und nach eine große Zuneigung zwischen Baum und Mensch.

[Die Töne perlten lieblich von den Saiten als die Fingerspitzen diese nun sanft streichelten]

Die Birke und die Fichte lauschten der Schilderung der Linde. Also konnten sie nun doch mit diesen kleinen, seltsamen Wesen kommunizieren?
Leider nur mit diesem einen sprach die Linde. In diesem war etwas im Inneren, das auf den Klang der Bäume reagiert hatte. Etwas, das mitschwang und selbst Resonanz erzeugte. Und sie klang zugleich freudig und traurig. Denn sie empfand Liebe für die Menschen, alle Menschen und würde gerne mit allen von ihnen zusammen schwingen. All die kleinen, schönen, aufregenden oder auch belanglosen Geschichten, die ihm der Mensch erzählt hatte, entzückten die Linde.

[Die süße Melodie wechselte zu einer fröhlichen Weise die ein Lächeln ins Gesicht zauberte.]

Und als die drei Bäume sich so unterhielten und doch keine Lösung fanden, erklang plötzlich eine tiefe, weise, alte Stimme. Die Eiche, die generell nicht zu den gesprächigen Bäumen gehörte, hatte bis jetzt schweigend zugehört und wusste Rat.

[Die Finger schlugen eine tiefe, langsame, tragende Tonfolge an. Sie entsprach dem majestätischen Wesen der Eiche.]

Als nun der Mensch an einem Tag wieder zu der Linde kam, da fand er sie ganz verwandelt. Aus Liebe hatte diese Blätter in das verwandelt, was so wunderschön zusammen mit ihr geschwungen hatte: Dem liebenden Herz des Menschen.
Und als sie diesem zuraunte, was die Eiche geraten hatte, da war es ganz still umher. Und sie verstanden sich.
Dann nickte der Mensch und ging zu tun, was sie vereinbart hatten.

[Die Saiten schwiegen. Und nach einem fast endlos erscheinenden Moment zupften die Finger einzelne, harte Anschläge. Jeder von ihnen durchschritt die Stille wie die Schläge einer Axt das Holz eines Baumes.]

Sanft fassten die Hände das Holz von Linde, Birke und Fichte, formten, glätteten und fügten es. Und stets summte der Mensch dabei. Und nach einer Zeit war das Werk vollbracht. In seinen Händen lag ein sanft schimmerndes Instrument.
Vorsichtig liess er die Finger über die Saiten gleiten.

[Vorsichtig liess er die Finger über die Saiten gleiten.]

Und es erklang eine wunderschöne Tonfolge.

[Und es erklang eine wunderschöne Tonfolge.]

Und alle Menschen, die niemals die Stimmen der Bäume vernommen hatten kamen heran und lauschten ergriffen. Sie hörten nun zum ersten Mal den Gesang der Bäume, die Liebe hatte ihre Herzen geöffnet und diese zum Klingen gebracht. Lieblich und süß in einem Moment, verspielt und neckisch im nächsten, dann kraftvoll und beeindruckend, alles erklang aus dem kleinen Instrument. Die Menschen lachten, waren entzückt und beeindruckt. Jede Emotion konnten die Finger erzeugen. Und als der Mensch seine Stimme erhob und mit den Hölzern sang lief manchem Zuhörer eine Träne der Ergriffenheit über die Wange.

[Die letzten Töne verklangen zart. Der Mensch erhob sich von seinem Platz am Stamm des Baumes und hielt die wertvolle Harfe zärtlich aber sicher in den Händen.]

Aus Liebe zu den Menschen wandelte der Lindenbaum seine Blätter. Zusammen mit der Birke und der Fichte entstand daraus ein Geschenk das vermag, die Herzen der Menschen zu bewegen. Und dieses Geschenk mit euch zu teilen ist meine Aufgabe.

[Aus der Menge erscholl eine Frage: "Ist dies wirklich so geschehen?" Der Mensch lächelte und einen Moment bevor die Spitze des Mantels hinter dem mächtigen Baumstamm verschwand hörte die Menge noch die Antwort:]

Wenn eine Geschichte die Herzen zu bewegen vermag, dann ist sie wahr.

[Und die Bäume rauschten zustimmend.]
Signatur von »Scintilla« Alle Dunkelheit der Welt kann das Licht einer einzigen Kerze nicht auslöschen.

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Freitag, 25. November 2022, 11:26

Technische Anmerkung:

Im Instrumentenbau wird als sogenanntes Klangholz für die Decke gern Fichte verwendet.
Birke für den Rücken und die tragenden Bereiche ist etwas Besonderes.
Linde für die Seiten den Klangkorpus sind eine absolute Rarität, die in der Lage sein soll, die wunderbarsten Obertöne zu erzeugen.
Signatur von »Scintilla« Alle Dunkelheit der Welt kann das Licht einer einzigen Kerze nicht auslöschen.

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